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Interview with the artist HC Ohl about his current exhibition @ LV1871 – Maximiliansplatz 5 in Munich

All about ” Beschleunigung “

Die Ausstellung heißt „Beschleunigtes Paradies“ – was müssen wir uns denn darunter vorstellen?

Die Beschleunigung ist das große Thema unserer Zeit. Dabei geht es nicht nur um beschleunigte Materie wie zum Beispiel einen Körper in einem Auto, sondern auch um gesellschaftliche Prozesse. Zum Beispiel Kommunikation: Beim Telefonieren spreche ich mit einer Person, die sich aber an einem anderen Ort befindet. Auflösung von Raum und Zeit. Beschleunigung: Gesteigerte Geschwindigkeit verkürzt die Zeit, um einen anderen Ort zu erreichen, bzw. verkürzt die (empfundene) Strecke zwischen den Orten. Die Erfindung immer neuer technischer Hilfsmittel soll uns von den Fesseln irdischer Gegebenheiten befreien und auf direktem Weg das Paradies erschaffen.

Wie genau wird denn aus einem Foto ein Kunstwerk?

Ein weiteres Beispiel für beschleunigte gesellschaftliche Prozesse finde ich in der Umkehrung von Urbild und Abbild. Das Urbild zum Beispiel ein Baum – das Abbild zum Beispiel die Fotografie des Baumes. Doch immer öfter lernen wir zuerst das Bild von etwas kennen – den wunderschönen Strand und das Meer – und erst später finden wir die reale Situation vor und messen sie dann an diesem Abbild, das wir ja zuerst kennen gelernt haben. Und wehe es regnet dann gerade. Jedermann weiß genau, was ein Bär ist – hat er jemals einen gesehen außer im Zoo? Das Abbild hat das Urbild überholt. Im digitalen Zeitalter erschaffen wir uns völlig neue Welten, die nur noch entfernt an die Wirklichkeit draußen erinnern.

Aufgabe der Kunst ist es, diese Prozesse zu beobachten und mit ihnen zu arbeiten. In meiner digitalen Malerei drehe ich den Malvorgang um: Wenn bisher ein Maler von der Farbe ausgehend hin zu einem Abbild (dem Baum) gemalt hat, so nehme ich jetzt das Abbild in Form einer Fotografie und male zurück zur Farbe. Dabei löse ich auch die kognitiven Eigenschaften des Bildes auf und erschaffe daraus eine neue eigene Welt. Die kognitiven Eigenschaften des Ausgangsbildes („das ist ja ein Baum“, oder „ach wie schön das Meer“) sind im übrigen sowieso eine Täuschung oder mindestens eine Abstraktion der Realität. Nehmen wir als Beispiel diese Situation: Dieser Text bildet sich auf der Netzhaut ihrer Augen ab. Aber das Bild, das dadurch entsteht, ist wesentlich komplexer. Gleichzeitig sehen sie nämlich auch alle möglichen Dinge, die sich im Moment gar nicht auf ihrer Netzhaut abbilden: die Räume außen herum, Situationen vorher, solche, die sie für die Zukunft erwarten, Stimmungen und Gefühle. Ich reagiere als Künstler darauf, indem ich verschiedenste Bilder in transparenten Ebenen übereinander lege und die Farben und Formen miteinander kommunizieren lasse.

Gibt es in der aktuellen Ausstellung ein Lieblingswerk von Ihnen?

Das zentrale Werk in dieser Ausstellung ist das große blaue Stadtbild:10-41-01 Stadt. Ausgangsmaterial für diese Arbeit sind verschiedene Fotografien von Städten. Ganz links erkennt man noch schemenhaft einen Büroturm aus einem Skylinefoto von Frankfurt. Dieses digitale fotografische Abbild habe ich verwischt. Wie wenn es sich um frische Farbe handeln würde, fährt meine Hand mit allen fünf Fingern von links nach rechts durch das Bild. Ein sehr rudimentärer Malvorgang. Eine Beschleunigung der Stadt aber auch eine Auflösung des Abbildes.

Was ist für Sie das Besondere an unserem Foyer als Ausstellungsort? 

Mir gefällt an diesem Ausstellungsort ganz besonders die Lage in der Stadt und die gediegene Atmosphäre. Die Thematik meiner Bilder ist am besten zu verstehen, wenn sie sich mitten in den Keimzellen unserer aktuellen Kultur befinden. Die Verwischungen und Vermalungen in meinen Bildern haben auch oft einen destruktiven Charakter. Diesem wiederum tut die klare Atmosphäre des Foyers gut und sie bildet einen lebhaften Kontrast.

Wo finden Sie Ideen und Inspirationen für Ihre Werke?

Meine größte Inspirationsquelle sind natürlich die Werke meiner Künstlerkollegen. Hier könnte ich viele nennen. Im Augenblick beschäftige ich mich gerade mit den Werken von Olaf Metzel und da besonders mit seinen Digital Prints auf verknittertem Aluminium.

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